23. Januar 2023
Starke Nachhaltigkeit
Damian Jerjen
Direktor, EspaceSuisse - Verband für Raumplanung
CARTE BLANCHE

Im Hinblick auf den Klimawandel und die Biodiversitätskrise ist für eine nachhaltige Raumentwicklung ein Paradigmenwechsel hin zur sogenannten starken Nachhaltigkeit erforderlich.

Die Raumplanung hat zum Ziel, die vielen raumwirksamen Tätigkeiten vorausschauend zu koordinieren, die bestgeeigneten Standorte zur Abdeckung der verschiedensten räumlichen Bedürfnisse zu finden und damit eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Dabei ist die raumplanerische Interessenabwägung ein wichtiges Element, bei der es darum geht, ein Vorhaben so zu optimieren, dass alle Interessen möglichst umfassend berücksichtigt werden. Was jedoch nicht heisst, dass in jedem Fall ein ausgleichender Kompromiss angestrebt wird. Bei Unvereinbarkeiten kann es dazu kommen, dass das eine Interesse bevorzugt und das andere endgültig zurückgestellt wird.

Gerade zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen tauchen häufig Zielkonflikte auf. Sind beispielsweise Schutzgebiete bei der Standortsuche für die Energieproduktion betroffen, sind die Möglichkeiten zur Nutzung eingeschränkt. Das nationale Parlament tendiert aktuell dazu, den Natur- und Landschaftsschutz zugunsten von Wirtschaftswachstum aufzuweichen. Wie dies beispielsweise im letzten Herbst bei den Beratungen rund um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern der Fall war.

Zukunftsfähige Raumentwicklung

Aber gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel und Biodiversitätskrise braucht es für eine zukunftsfähige Raumentwicklung einen Perspektivenwechsel hin zu einer sogenannt starken Nachhaltigkeit: Der Schutz der Biosphäre, eine schadstofffreie Umwelt und die Eindämmung der Klimakrise haben oberste Priorität gegenüber anderen Dimensionen wie der Wirtschaft. Denn die ökonomische Dimension hat die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine gerechte und sozialverträgliche Erreichung dieser Ziele zu schaffen. Die «Hochzeitstorte der Nachhaltigkeit» des Stockholm Resilience Center illustriert dies schön und baut auf dem Modell der planetaren Belastungsgrenzen auf. Ausgangspunkt des Modells ist die Tatsache, dass Wirtschaftssystem und Gesellschaft in die Biosphäre eingebettet sind. Beide sind von deren Erhalt abhängig.

Demnach kann die soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklung nicht getrennt betrachtet werden. Die Wirtschaft ist integrativer Teil der Gesellschaft und muss sich innerhalb der nicht verhandelbaren planetaren Grenzen entwickeln. Bei einer nachhaltigen Entwicklung nach diesem Verständnis geht es nicht mehr um Effizienz, sondern um Anpassungsfähigkeit. Es geht darum, die Natur zu regenerieren. Die Raumplanung muss diese Transformation hin zu einer starken Nachhaltigkeit mit ihren Instrumenten unterstützen und den Wert intakter Ökosysteme möglichst breit vermitteln.

Azote for Stockholm Resilience Centre, Stockholm University CC BY-ND 3.0.
KOMMENTARE (2)
  • Julian Herter 23.03.2023, 11:20

    Weil PV-Anlagen auf geschützten Flächen kaum einen Dienst an der Biodiversität der seltenen Magerwiesen verrichten werden und Windturbinen nur eine weitere Gefahr für bereits bedrohte Greifvogelarten darstellen. Es geht nicht nur um Landschaftsschutz gegen Wirtschaftswachstum, das stimmt. Es ist vielschichtig und komplex.
    Nicht zu vergessen sind die Tatsachen, dass wir einzig und allein von nachhaltiger Stromproduktion sprechen, nie aber vom Strom sparen. Mit nicht verbrauchtem Strom lässt sich nun mal kein Geld verdienen. Auch nicht mit geschützten Flächen oder anderen nicht verwendeten Ressourcen. Daher muss man Herrn Jerjen Recht geben: bisher kommt die Natur an zweiter Stelle.

  • Markus Hubbuch 10.03.2023, 13:52

    Ich muss zu den Aussagen von Herr Jerjen Stellung nehen: Er sagt: "Das nationale Parlament tendiert aktuell dazu, den Natur- und Landschaftsschutz zugunsten von Wirtschaftswachstum aufzuweichen." Das Parlament hat, im Gegensatz zu Herrn Jerjen, begriffen, dass die Schweiz sich nur nachhaltig mit Energie versorgen kann, wenn alle Möglichkeiten genutzt werden. Und da sind grosse PV-Anlagen in den Bergen unverzichtbar, insbesondere um den Winterbedarf an Strom abdecken zu können. Zudem braucht es auch einen Anteil Wind, da in der Schweiz bekanntlich die Sonne nicht immer scheint. Es geht also nicht um Natur- und Landschaftsschutz gegen Wirtschaftswachstum, sondern um eine fossilfreie Energieversorgung. Die Klimaerwärmung infolge der Treibhausgasemissionen verursacht die viel grösseren Schäden an der Natur und hat viel mehr Impact auf die gesamte Natur und Landschaft als da und dort PV-Module über einer Alpweide oder einige Windturbinen. Deshalb verstehe ich nicht, warum jemand, der vorgibt Natur und Landschaft schützen zu wollen, sich nicht vehement für mehr regenerative Energie einsetzt.

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