18. September 2023
Augenschein bei einer der ersten Wasserstoff-Notstromanlagen
Hans Jörg Luchsinger
Partner & Mitglied der Geschäftsleitung, IEU Kommunikation AG
PERSPEKTIVE

Wasserstoff könnte zu einem wichtigen Puzzleteil einer erneuerbaren Energieversorgung werden. Denn H2 hat eine hohe Energiedichte, ist speicherbar und – sofern mit erneuerbarem Strom hergestellt – sehr umweltfreundlich. Ich hatte die Gelegenheit, Anfang September in den Niederlanden die Baustelle einer mit Wasserstoff betriebenen Notstromanlagen zu besichtigen.

Gespannt begleitete ich Vertreterinnen von uptownBasel und Fankhauser nach Eindhoven, um mehr über die mit Wasserstoff betriebene Notstromanlage des Datencenters von NorthC zu erfahren. Denn das Potential, das im Wasserstoff als Energieträger steckt, ist enorm. Ein Kilogramm Wasserstoff enthält etwa soviel Energie wie zwei Kilogramm Erdgas oder drei Kilogramm Benzin. Dabei entstehen bei der Verbrennung von Wasserstoff nur Energie in Form von Wärme und Wasser, also weder CO2 noch ein anderes Treibhausgas. Die Umwandlung von Wasserstoff in Strom erfolgt entweder mit einem Gasmotor oder mit einer Brennstoffzelle, einem elektrochemischen Apparat zur direkten Umwandlung in Strom. 

NorthC, das für die Notstromversorgung ihres neuen Datencenters in Eindhoven auf grünen Wasserstoff setzen will, nutzt und fördert gleich beide Technologien. Eine erste Anlage in Groningen verfügt bereits über eine Brennstoffzelle, und die noch im Bau befindliche in Eindhoven ist mit einem Gasmotor ausgerüstet, der anstatt mit Erdgas mit grünem Wasserstoffgas betrieben wird. Das Datencenter und die Notstromanlage sollen bis diesen Oktober fertiggestellt und in Betrieb gehen. Bei einem Stromunterbruch könnte dann die H2-Notstromanlage mit den geplanten Wasserstoffreserven während vier Stunden eine Stromunterbruch überbrücken, danach müssten die Gasmotoren mit Erdgas weiterlaufen.

Technologie mit Hürden

So überzeugend die Eigenschaften von Wasserstoff sind, so hoch sind aktuell noch die Hürden, die übersprungen werden müssen, damit grüner Wasserstoff im grossen Stil als Energiespeicher und Stromlieferant dienen kann. Der Aufwand für die Wasserstoffproduktion, die Speicherung und den Transport ist sehr gross. 

Umweltfreundlicher, also grüner Wasserstoff, wird durch Elektrolyse gewonnen. Unter Zufuhr von Strom spaltet sich Wasser in die beiden gasförmigen Elemente Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O). Man kann das extrem flüchtige Wasserstoffgas unter hohem Druck speichern und transportieren. Dies eignet sich bisher vor allem für kurze Transportwege. Um Wasserstoff über längere Strecken zu transportieren, wird er bei minus 253 Grad Celsius verflüssigt oder mit anderen chemische Elementen, zum Beispiel Ammoniak oder Methanol, zwischenzeitlich gebunden. Eine weitere Herausforderung ist zudem der Energieverlust, der bei der Produktion von Wasserstoff je nach Verfahren bei 30 bis 40 Prozent liegt und bei rund 40 Prozent bei der Rückwandlung von Wasserstoff zu Strom.

Es braucht Pioniere, die vorausgehen

Der Besuch in Eindhoven und die Diskussionen mit den Experten der involvierten Unternehmen waren spannend und lehrreich. Die Notstromanlagen von NorthC sind meines Erachtens ein sehr wertvoller und vorausschauender Schritt, um diese Technologie besser kennenzulernen und um sie weiterzuentwickeln. Das ist wichtig, denn das Potential von Wasserstoff als erneuerbare, speicherbare Energiequelle ist gross. 

Anlagen wie in Eindhoven werden aber nur dann finanzierbar sein, wenn der erneuerbare Strom für die Produktion von Wasserstoff sowohl sehr tiefe Strom- und keine Netzkosten verursacht. Dazu sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz noch nicht gegeben. Bis es soweit ist, braucht es mutige Investoren wie die Gruppe um das Datencenter, die trotz der grossen Herausforderungen den Schritt wagen und auf Wasserstoff setzen. Wasserstoff als Energiespeicher bleibt vorerst ein Versuchsfeld.

Bilder von der Baustelle in Eindhoven

Notstromversogung: vom Stromausfall zur Mangellage 

Ein lang andauernder Stromausfall bedeutet für Rechenzentren oder Spitäler ein Risiko mit sehr hohem Schadenspotential. Kurzzeitige Stromausfälle, wie sie in unseren Netzen übers Jahr gerechnet nur wenige Minuten dauern, werden von der ersten Sekunde an mit Notstromanlagen abgedeckt. Diese können Unterbrüche bis zu mehreren Stunden überbrücken. Spätestens seit 2020 gilt eine Strommangellage als reales Risiko mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Im Gegensatz zu Stromausfällen bedeutet eine Strommangellage längere und regelmässige Stromunterbrüche, die von einer Notstromanlage überbrückt werden müssen.  

Notstromanlagen setzen sich zusammen aus der unterbruchsfreien Stromversorgung (USV), die unmittelbar, aber nur kurzzeitig den Strom liefert. Gleichzeitig startet in der Regel ein Diesel- oder Gasgenerator, der für längere Phasen des Stromunterbruchs als Stromlieferant wirkt.

Notstromanlagen müssen zur Sicherstellung ihrer Funktionstüchtigkeit regelmässig betrieben werden. Alle Notstromanlagen verbrauchen zusammengerechnet deshalb Unmengen an Diesel und Gas. Mit der Umstellung auf erneuerbaren Strom stellt sich deshalb auch die Frage nach einer grünen Lösung für die Notstromversorgungen. Grüner Wasserstoff mit seiner hohen Energiedichte scheint für Anlagen über ein Megawatt Leistung eine interessante Lösung zu sein.

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