7. November 2023
Technologie trifft Tradition: Die Evolution der Architekturpraxis
Moritz Späh
Mitglied der Geschäftsleitung Späh Architektur AG / Gründer & Präsident Archverein
CARTE BLANCHE

Tiefgreifende digitale Transformation oder oberflächliche Technologisierung? Wahre Digitalisierung erfordert eine ganzheitliche Umstellung auf digitale Prozesse sowie die Kollaboration und Integration aller beteiligten Gewerke. Im Bauwesen bedeutet dies mehr als die heute in den Architektur- und Planungsbüros bereits weitgehend erfolgte Abkehr von 2D-Papier-Plänen zum 3D-Modell – es erfordert eine vollständige digitale Reformation jeder Facette eines Bauprozesses.

Die Baubranche bedient sich heute zwei zugrundeliegender Systeme, welche verstanden werden müssen, um die Digitalisierung überhaupt vorantreiben zu können. Einerseits sind die Projektphasen nach SIA für den ganzen Planungs- und Bauprozess dominierend. Andererseits ist auch das System nach BKP (Baukostenplan nach Gewerk) für den Entstehungsprozess entscheidend. Letzteres wird seit einigen Jahren immer öfter durch das eBKP (Baukostenplan nach Element) ersetzt. Das zugrundeliegende Ordnungsprinzip des BKP wird dabei jedoch nicht verändert, es ist anhand der Reihenfolge der Arbeitsgattungen im Bauprozess eines Bauwerks gegliedert; vom Fundament hoch bis zum Dach und von der Hülle rein bis in den Ausbau. Nur wenn der gesamte Projektprozess wie auch sämtliche Gewerke durchgehend digitalisiert sind, kann der volle Nutzen der Digitalisierung entfaltet werden.

Verschiebung der SIA-Phasen

Für den Wandel im Bauprozess infolge stärkerer Automatisierung der Herstellungsprozesse sind diese Systeme daher meist nicht mehr passend. Paradebeispiel für die Verschiebung der SIA-Phasen zeigt sich im heute industriell vorfabrizierten Holzelementebau. Die Definition jedes Elements bis hin zur exakten Position der Steckdosen im 3D-Modell ist nun bereits in einer frühen Planungsphase erforderlich, da die Modelle nahtlos in die industrielle Produktion übergehen. Noch vor einigen Jahren war es Standard, dass beispielsweise Elektroinstallationen wie Steckdosen erst nach der Aufrichte ins Sichtfeld der Unternehmer gelangten. Die historische Planungs- und Bauweise entsprach eher einer rollenden Planung.

Vermeintliche Digitalisierung

In der Baubranche wird das Scannen von Dokumenten oder das Arbeiten mit dem informationsgetriebenen 3D-Modell, bekannt als BIM-Modell, oft mit umfassender Digitalisierung verwechselt. Digitalisierung bedeutet weit mehr als das: Sie ist im Kern die Überführung sämtlicher physischer, analoger Prozesse in digitale. Digitalisiert man nur Teilbereiche, ergeben sich viele neue Probleme.

Abhilfe soll der Aufbau eines BIM-Modells nach dem LOD (Level of Detail)-System leisten. Dieses definiert den Detaillierungsgrad des 3D-Modells in zeitlicher Abhängigkeit zum Planungsprozess. Bereits zum Projektstart muss das Level of Detail klar festgelegt werden, um die Entstehungsphasen und deren Dauer präzise abzuleiten. Zudem müssen die digitalen Anforderungen an die beteiligten Gewerke (schnell sind es über 30 in einem Projekt) von Anfang an klar definiert sein. Dabei gilt es grundsätzlich Rücksicht auf den menschlichen Faktor zu nehmen.

Unabhängig vom gewählten Prozessmanagement bleibt sich in Bezug auf die Digitalisierung eines gleich: Nur wenn sowohl das Arbeitssystem als auch alle Gewerke durchwegs digital sind, kann das volle Potenzial der Digitalisierung entfaltet werden.

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